Der Mensch entwickelt sich. In welche Richtung?

Laut dem Naturforscher und Begründer der Evolutionstheorie Charles Robert Darwin (1809‑1882) wird natürliche Entwicklung vom Gesetz der Anpassung an den Lebensraum durch Variation und natürliche Selektion bestimmt, wonach der Anpassungsfähigere sich vor dem weniger Anpassungsfähigen durchsetzt und schliesslich überlebt. Mindestens die Beobachtung, dass viele Menschen einen intrinsischen Willen zur Anpassung besitzen, scheint unbestritten.
Einer anderen Gesetzmässigkeit zufolge, die hingegen nicht Theorie, sondern als historisches Faktum vielfach bestätigt ist, führt übermässiger Wohlstand in einer menschlichen Zivilisation zu Dekadenz und später zu deren Auslöschung. Könnte es sein, dass die iPholutionstheorie© ein Anzeichen – eines unter vielen – eines solchen Abstiegs darstellt und im Begriff ist, uns ein weiteres, modernes Beispiel zu liefern?

Bedeutende Erfindungen haben immer die Entwicklung der Gesellschaft und des Verhaltens ihrer Mitglieder beeinflusst. Das Rad, die Elektrizität, das Auto, die Fotografie, die Waschmaschine. Auch wenn solche Dinge das Leben revolutionierten, dauerte es jeweils lange Zeit, bis die breite Masse davon profitieren konnte. Ein Auto war nicht nur in den Anfängen eine Attraktion, für welche Kinder aus dem Haus rannten, um einen Blick zu erhaschen (es gab eine Zeit, da waren Autos schön), und trotz zu vielen Fahrzeugen ist es auch heute noch normal, dass nicht alle eines haben. Die Phase zwischen Invention und breiter Applikation hat sich verkürzt, besteht aber grundsätzlich immer noch, und es gibt Dinge, von denen nicht alle Gebrauch machen.
Nicht so beim Smartphone. Das internetfähige Mobiltelefon ist die erste Schöpfung, die fast zeitgleich mit ihrem Aufkommen sowohl weiteste Verbreitung fand als auch das Verhalten fast der ganzen Bevölkerung wesentlich verändert hat.
Eine Zehn-Punkte-Einführung für Unschuldige.

  1. Ein Leben ohne Smartphone (nachfolgend ‹Gerät›) scheint nicht möglich zu sein.
  2. Die Beschäftigung mit dem Gerät ist freiwillig.
  3. Das Gerät wird überall und zu jeder Zeit mitgeführt (es gibt auch wasserdichte und hitzebeständige Modelle).
  4. Es gibt zwei Situationen: Entweder hat man das Gerät in der Hand oder man nimmt es gerade zur Hand.
  5. In der Standardkörperhaltung hält man es in der Hand und richtet seinen Blick darauf, häufig mit einer Kabelverbindung zu den Ohren, während man mit dem Daumen oder mit den Fingern der anderen Hand auf der Oberfläche reibt. In der etwas weniger häufigen Pose hält man es mit ausgestreckten Armen hoch in die Luft und richtet seinen Blick darauf, z. B. um ein Konzert zu filmen (damit man etwas vom Konzert hat). Im Freien sieht man bei Sonnenschein auf dem Bildschirm des Geräts sich und die Umgebung.
  6. Im Restaurant legt man es neben die Messer (Linkshänder neben die Gabeln, anstelle des Brottellers, der nach aussen rückt); das Bedienen des Geräts unter dem Tisch gilt als unhöflich. Es spielt keine Rolle, wer vis-à-vis sitzt.
  7. Man übernachtet auf der Strasse vor einem Geschäft, welches den Verkauf des neusten Modells angekündigt hat, auch wenn das Gerät, für welches man ein Jahr zuvor auf der Strasse übernachtet und viel Geld bezahlt hat, noch funktioniert.
  8. Man ist überzeugt, immer nur gerade das Wichtigste im Internet zu lesen und nur die wichtigsten, dringend erwarteten Anrufe entgegenzunehmen (Prüfungsresultate, Geburten u. ä.).
  9. Es gibt viele, die glauben, dass das Bedienen des Geräts am Steuer während der Fahrt untersagt sei.
  10. Man hat das Recht, einen unauffälligen Klingelton zu wählen und diesen so einzustellen, dass er niemanden stört.

Weltliteratur, Kunst, Denkmäler, Knigge, Grafik im öffentlichen Raum und wissenschaftliche Erkenntnis müssen der aktuellen Entwicklung angepasst werden.
Nachfolgend ein paar Vorschläge und Visualisierungen.